Die Macht der Gedanken oder wie man sich selber ein Bein stellt…
„Da hab ich vorher noch gesagt: „Jetzt kann mich nur noch ein Sturz stoppen“ und … plumps da lag ich!“ keuchte eine glückliche Jennifer Oeser an der Leichtathletik WM in Berlin in die TV-Kameras. Nur dank ihrer phänomenalen Aufholjagd nach ihrem Sturz im abschliessenden 800m Rennen der 7- Kämpferinnen errang sie doch noch die Silbermedaille.
Uups kann ich als Kommunikationsprofi und Sportcoach da nur sagen. Sollten sich vielleicht sogar die Leichtathleten etwas mehr mit gehirngerechter Formulieren beschäftigen? Wie schnell ist es doch passiert, dass ein Satz durch unser Hirn geistert, der bei näherer Betrachtung alles andere als unterstützend ist.
Um dies zu verstehen, muss man sich ein bisschen mit dem Funktionieren unseres Hirns und unseres Körpers auseinander setzen. Hirnphysiologisch ist es so, dass unser Körper ein williger Vollstrecker unserer innerer Befehle ist. Zudem ist er so eingerichtet, dass er nur tun kann. Er kann nicht, „nicht-tun“. Ein einfaches Beispiel dafür sind unsere Muskeln: Unsere Bewegungen passieren durch die Aktivierung von Muskeln. Wollen wir zum Beispiel einen Arm beugen, muss sich der dafür vorgesehen Muskel zusammenziehen. Wollen wir den Arm wieder strecken, würde man meinen, dass nun dieser Muskel einfach seine Tätigkeit, nämlich das „Sich zusammenziehen“ beendet und nichts mehr tut, also los lässt. So geht es aber nicht, denn die Funktion „nicht-strecken“ können die Muskeln nicht ausführen. Tatsächlich ist ein anderer Muskel dafür zuständig, durch sein Zusammenziehen, dafür zu sorgen, dass sich der Arm streckt. Damit wird gleichzeitig auch der erste Muskel in seinen ursprünglichen Zustand zurück geführt. Unser Körper kann also nur ausführen, nicht unterlassen. Dieses Prinzip gilt nicht nur für die Muskeln. Es ist auf alle Funktionen unseres Körpers anwendbar. Dies zu verstehen ist extrem wichtig, wenn wir uns der Macht unseres Denkens auf unsere Handlungen zuwenden wollen. Und wenn wir lernen wollen, diese Möglichkeiten zielgerichtet und zu unserem eigenen Vorteil einzusetzen.
Gehen wir noch mal zurück zu Jennifer Oesers Aussage. Was hat sie also ihrem Körper für einen Befehl gegeben, wenn wir ihren Gedanken nochmals unter diesem Aspekt genauer anschauen? „Jetzt kann mich nur noch ein Sturz stoppen“ heisst für den Körper übersetzt: „Bitte Muskeln in Bewegung setzen, um den Befehl „stürzen zum Stopp“ auszuführen. Und der gut trainierte und folgsame Körper führt diesen Befehl sofort aus: „…und plumps da lag ich!“ Der eigentliche Hintergedanken: „Meine Medallie ist so gut wie sicher“ konnte der Körper nicht verstehen und somit auch nicht danach handeln.
Was gibt es für Turniertänzerinnen und -tänzer aus diesem Beispiel zu lernen? Denn nicht nur bei den Leichtathleten ist die hirngerechte Formulierung von Gedanken noch nicht selbstverständlich! Anfangen muss jeder Einzeln bei sich selber und sich fragen: was für Gedanken schwirren mir so durch den Kopf? Im Training, in der Trainerstunde und am Turnier? Wie formuliere ich meine Wünsche? Der erste Schritt ist also eine geschärfte Wahrnehmung dessen, was im eigenen Kopf drin abläuft. Ehrlichkeit und ein gesundes Mass an Selbstkritik helfen dabei, die Formulierungen genau fest zu halten. Dann, in einem zweiten Schritt kann man daran gehen, sich mit Hilfe passender Formulierungen ein zielgerichtetes Denken anzueignen. Diese Arbeit kann jeder für sich selber machen. Effizienter ist es allerdings, sich dabei von einer Fachperson begleiten zu lassen, die gewährleistet, dass die gewählten Formulierungen wirklich mit dem Ziel übereinstimmen. Natürlich passiert dies nicht einfach von heute auf morgen. Etwas Übung benötigt man schon dafür, die gewohnten Gedankengänge durch passendere zu ersetzen. Auch das Erlernen von Bewegungsabläufen gelingt nicht ohne konsequentes Training. Gelingt es allerdings, sich diese Art des Denkens anzueignen, lassen sich solche schmerzhaften Erfahrungen wie sie Jennifer Oeser machen musste, weitgehend vermeiden.
Sabine Bräuer
Bräuer Coaching
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