Kampf gegen Manipulationen: Der neue Präsident macht Ernst!
Lukas Hinder, seit Januar neuer Präsident der World DanceSport Federation WDSF, hat bereits im April als eine seiner ersten Amtshandlungen, eine präsidiale Task Force (TF) zur Bekämpfung von Wettkampf Manipulationen (Combat Competition Manipulation CCM) in Kraft gesetzt. Nun, nach sechs Monaten liegt bereits ein Whitepaper als erste Veröffentlichung dieser Task Force vor.
Bereits vor seiner von ihm geforderten Bestätigungswahl im Juni, hat Lukas Hinder (unser ehemaliger Präsident des STSV) auf die Wichtigkeit dieses Anliegens hingewiesen: „Wenn wir keine Lösung finden können für eines unserer dringendsten Probleme, dann sollten wir uns nicht allzu viele Gedanken machen über weitere Dinge, die wir uns in Zukunft wünschen würden. Packen wir das Problem an!“
Nach den grossen Korruptionsskandalen in anderen Sportverbänden ist die Zeit gekommen auch im Tanzsport den „Familien-Gedanken“ durch professionelle Strukturen zu ersetzen. Dazu gehört auch längst etablierte Probleme offensiv und transparent anzupacken.
Wer Lukas Hinder länger kennt, weiss dass er diesen Weg auch gegen Widerstände konsequent weiterverfolgen wird.
Die Task Force und das erste Whitepaper
Mit HARRI SYVÄSALMI und DANIEL STEHLIN ist es Lukas gelungen zwei erfahrene Experten mit entsprechendem Leistugsausweis in die präsidiale Task Force zu berufen.
Alle Infos und ergänzende Infos zur Task Force, deren Mitglieder und zum Whitepaper findet ihr hier:
Skype the Prez II
Die zweite Tranche von „Skype The Prez“, der informelle Austausch zu aktuellen Themen zwischen WDSF-Präsident Lukas Hinder und der Vorsitzenden der Athletenkommission, Ashli Williamson. Zwei Fragen wurden behandelt: eine erste Frage über die Arbeit der Task Force für die Wettbewerbsmanipulation, die andere über einen Fall angeblicher Wettbewerbsmanipulation in Stuttgart, GER.
CCM TF Referenzdokumente
(Veröffentlichung auf der WDSF-Website: 17. Oktober 2016) siehe:
Wettkampf-Manipulation – ein ewiges Thema im Tanzsport
Wettkampf-Manipulationen durch Wertungsrichter oder durch gezielt selektive Auswahl von Wertungsgerichten sind leider seit den Anfängen unseres Tanzsports ewige Wegbegleiter. Die Tanzgeschichte ist voll von „seltsamen Vorkommnissen“. Einige Manipulationen konnten nachgewiesen werden, unzählige mutmassliche Manipulationen geistern wahrscheinlich für immer durch die Gedächtnisse.
Das aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts stammende Bewertungssystem und die immer wieder geschützte Tradition der Intransparenz bieten oft eine ideale Grundlage für Manipulationen. Noch heute gibt es Traditionsturniere, wo nur nationale Wertungsrichter aus einem kleinen Kreis von Auserwählten zum Einsatz kommen oder die Wertungsdetails nur eingeschränkt zur Verfügung gestellt werden.
Noch immer kann ein Wertungsrichter mit seinen „Marks“ lediglich eine lapidare Aussage machen: „gefällt mir“ / „gefällt mir nicht“. Meistens sogar ohne dass er sein Urteil rechtfertigen muss.
Erst mit der Entwicklung des neuen Wertungssystem 2.1 ist es dem WDSF gelungen neue Standards in der Differenzierung und Transparenz von Wertungen zu etablieren. Leider lässt sich dieses System jedoch erst ab einer 24er-Runde anwenden. Und die wichtigste Voraussetzung beim alten, wie auch beim neuen Wertungssystem, bleibt die Ethik und die Integrität der Wertungsrichter.
Business mit Wechselwirkung
Anders als bei den grossen, die internationalen Medien dominierenden Sportarten, geht es nicht um staatspolitische Ziele. Beim Tanzsport geht es neben Ruhm und Ehre vor allem um Business. Trainer und vermehrt Trainer-Konglomerate, die oft als Wertungsrichter im Einsatz stehen, sind auch als Trainer für Privatlektionen oder Workshops gefragt. Diese Nachfrage bestimmt unmittelbar das Einkommen des Trainers.
Um in diesem Business international erfolgreich zu sein, braucht es Beziehungen und Einfluss. Da hilft einerseits eine ausserordentlich erfolgreiche Karriere auf dem Parket und nachder aktiven Laufbahn viele Einsätze als Wertungsrichter oder als Dozent in Workshops. Und es braucht erfolgreiche Paare, die man trainiert!
Will ein Paar international erfolgreich sein, muss es sich einerseits das aktuelle Knowhow bei den renommierten Trainer holen und beharrlich an seinen Fähigkeiten arbeiten. Anderseits muss es sich über Resultate und Teilnahmen in Workshops oder Trainingszentren eine Namen aufbauen.
Kennt ein Trainer die Fähigkeiten eines Paares aus den Privat-Lektionen oder Workshops, werden diese bewusst oder unbewusst auf seine Bewertung als Wertungsrichter einen Einfluss haben.
Aufgrund dieser Einflüsse zog es die Paare bis in die 90er-Jahre jeweils jährlich für 2-3 Monate nach England. Mittlerweile sind die Hochburgen in Italien und Russland.
Diese Wechselwirkung, der Trainer braucht erfolgreiche Paare und die Paare brauchen erfolgreiche Trainer, führt zu Abhängigkeiten. Abhängigkeiten die vom Trainer zum persönlichen, finanziellen Vorteil genutzt werden können.
Manipulationen im Tanzsport
Da die Trainer oft auch als Wertungsrichter im Einsatz sind, stehen ihnen auch Möglichkeiten zur Manipulation zur Verfügung.
Jüngstes Beispiel ist der mutmassliche Vorfall an der diesjährigen GOC. Ein Wertungsrichter soll über seine Smartwatch (iWatch, Samsung Gear oder anderes Produkt) während dem Werten Anweisungen erhalten haben, welche Startnummern mit Marks zu bewerten sind. Gerüchte weisen darauf hin, dass der Vorfall sogar mit Videos dokumentiert worden sei. Wie immer gilt die Unschuldsvermutung bis ein Nachweis vorliegt.
Neben dem bewussten Überbewerten der eigenen Paare, kann ein Wertungsrichter ebenso auch gegnerische Paare mittels gezielt nicht erteilten Marks benachteiligen. Beides könnte ihn als Trainer oder seine befreundeten Kollegen bevorteilen…
Ebenso ist auch eine Beeinflussung durch den Trainer im Gespräch mit dem befreundeten Wertungsrichter möglich. Eine Hand wäscht die andere… Noch immer ist an den Turnieren zu beobachten, dass Trainer ungeniert das Gespräch mit den, an dieser Versnastaltung aktiven, Wertungsrichtern suchen und so diese kompromittieren.
Sind Trainer auch als Veranstalter aktiv, lässt sich nur schon mit der Auswahl der Wertungsrichter eine „freundschaftliche Unterstützung“ der eigenen Paare bewerkstelligen.
Lösungsansätze
Die Task Force wird einen steinigen Weg durch das Dickicht der vielen Interessen, Abhängigkeiten und Freundschaften in der „Tänzer-Familie“ gehen müssen. Doch um die Ethik und Integrität von Sportwettkämpfen zu sichern sind griffige Massnahmen zwingend.
Man wird striktere Regeln, strengere Kontrollen und noch mehr Transparenz erarbeiten müssen. Im weiteren müssen Delinquenten vom Sport zeitweilig oder für immer ausgeschlossen werden.
Neben der Klärung der aktuell bekannten Vorfällen sind auch neue Lösungsansätze zu entwickeln um Manipulationen bereits im Kern zu verhindern. Hierzu drängen sich folgende Überlegungen auf:
Professionelle Wertungsrichter
Es sind Überlegungen im Gange, ein Kader von professionellen Wertungsrichter einzuführen, die jedoch nicht als Trainer tätig sein könnten. Ähnliche Modelle sind zBsp. bereits im Turnsport aktiv. Dies würde jedoch bedeuten, dass die Wertungsrichter auch professionell entschädigt werden müssten, damit die bisherigen Einkünfte als Trainer abgedeckt werden könnten. Doch trotz finanzieller Unabhängigkeit bliebe der Faktor der menschliche Komponenten wie Geltungsdrang und Freundschaftsdienste noch immer als Gefährdung bestehen.
Streichresultate
Eine weitere Idee wäre mittels Streichresultaten die bewusst positiven und bewusst negativen Wertungen nicht in das Resultat einfliessen zu lassen. Das würde in der Vorrunde bedeuten, dass zBsp. bei 9 Wertungsrichtern jeweils eine Wertung mit der höchsten Anzahl Marks und eine Wertung mit der geringsten Anzahl Marks gestrichen würde. Damit würden nur 7 gemässigte Wertungen einfliessen. Im neuen Wertungssystem 2.1 würde pro Wertungsgebiet jeweils der höchste und der tiefste Wert ausgeschlossen.
Bewusste Über- oder Unterbewertungen würden so schlicht ins Leere laufen.
Auslosen der Wertungsrichter
Bis anhin hat der Veranstalter die Möglichkeit zumindest eine Anzahl der eingesetzten Wertungsrichter selber zu bestimmen. Diese Auswahl erfolgte oft aus dem Freundeskreis oder aus den Nachbarländer um die Reisekosten gering zu halten.
Bereits in früheren Jahren wurde diskutiert, die Wertungsrichter jeweils per Los zu bestimmen. Damit könnte eine weitere Abhängigkeit und damit eine unerwünschte Einflussmöglichkeit verhindert werden. Übermässige Reisekosten aufgrund langen Anreisewegen, könnten aus einem zentralen Reisekosten-Ausgleichspool beglichen werden. Die Veranstalter könnten dadurch mit fixen Kosten budgetieren.
Boykott oder Interessen konstruktiv einbringen?
Die meisten Paare nehmen die Anstrengungen mit der Einsetzung der Task Force mit Freude zur Kenntnis und bringen ihre Erfahrungen konstruktiv ein. Doch bereits an der GOC haben einzelne Paare aus Unzufriedenheit und persönlichen Befindlichkeiten Starts in einzelnen Kategorien boykottiert.
Boykotts waren leider immer wieder Wegbegleiter in der stürmischen Tanzgeschichte. So tanzten einige Jahre die Engländer nicht in Deutschland und die Deutschen nicht in England, weil sie „im Gastland sowieso benachteiligt würden“…
Da jedoch niemand hin steht und offiziell Gründe für den Startverzicht mitteilt, kann auch keine Einbringung von Interessen stattfinden. So wird weiter unter vorgehaltener Hand und „im Vertrauen“ gemunkelt, statt sich offen über Missstände auszutauschen und mitzuhelfen Lösungen zu erarbeiten.
Entwicklungsprozesse sind notwendig
Die Tanzwelt ist naturgemäss eine Welt von „eher egozentrischen Persönlichkeiten mit sehr feinfühligen Empfindlichkeiten“. Zumindest ein Teil dieser Eigenschaften war ja auch positiver Baustein ihres tänzerischen Erfolges. Viele Neuerung, seien es Technikbücher oder neue Regeln, führten oft fast zum Glaubenskrieg. Alex Moore und Wally Laird könnten uns mehr darüber erzählen… Nach Jahren findet man jeweils doch zu einer gemeinsamen Basis und anerkennt rückwirkend den wichtigen Meilenstein.
Es ist zu hoffen, dass man die Notwendigkeit einer konstruktiven Zusammenarbeit für ein gemeinsames Ziel dieses Mal früher erkennt. Nicht dass wir eine schleichende, FIFA-ähnliche Demontage unseres Sportes erleben müssen.
Ich bin mit den Ideen von Lukas Hinder völlig einverstanden. Ich hatte bei meinen SIC nie Wertungsrichter eingeladen mit dem Gedanken, dass Diejenige oder Diejeniger vorteile für ein Paar bringen könnte. Dass eingeladene WertungsrichterInnen natürlich versucht hatten, neue „Kunden“ bei Paaren zu gewinnen konnte man nicht verhindern. Wenn keine Trainer als Wertungsrichter mehr eingesetzt werden können wird sich das ändern. Hoffentlich !!!
Dass professionelle Wertungsrichter auch professionell bezahlt werden müssten ist ein must ! Auch müssten diese Wertungsrichter dauernd geschult werden, damit sie den jeweils neusten Trend im Tanzsport objektiv bewerten können. Dies bedingt aber, dass die Reisespesen der Wertungsrichter teils vom Intern. Verband übernommen werden. Diese Spesen fallen gewaltig ins Veranstalterbudget. Ich spreche aus Erfahrung !! Sonst könnten Tanzturniere nur noch diese Veranstalter organisieren die grosszügige Sponsoren haben.
Gruss Peter